Herpesvirus-Infektionen
Leitsymptome:
- Keratitis, Konjunktivitis
- Katzenschnupfensymptome
Labordiagnostik:
- Nachweis der DNA mittels PCR aus Tupferproben (Augen, Rachen, Nase)
Ätiologie
Das feline Herpesvirus (FHV) ist ein weltweit häufig vorkommender Erreger, der am Katzenschnupfen beteiligt sein kann (frühere Bezeichnung: Felines Rhinotracheitisvirus). Besonders häufig sind Katzen in Mehrkatzenhaushalten (z. B. Katzenzuchten, Tierheime) infiziert. FHV ist ein behülltes Virus mit linearer, doppelsträngiger DNA. Herpesviren sind meist streng speziesspezifisch; FHV wird fast ausschließlich bei Katzen isoliert. Die Virushülle ermöglicht eine schnelle Inaktivierung des Virus durch herkömmliche Reinigungsmittel sowie alle gängigen Desinfektionsmittel. FHV ist in der Außenwelt maximal 24 Stunden überlebensfähig.
Epidemiologie
FHV kommt sehr häufig in Zuchten und Tierheimen vor. Eine einmal infizierte Katze bleibt lebenslang FHV-Träger. Mittels direktem Erregernachweis lässt sich das Virus aber nur in Phasen von Reaktivierung nachweisen. Daher wird die Zahl der infizierten Tiere unterschätzt. Wird in einem Bestand eine infizierte Katze gefunden, dann ist davon auszugehen, dass alle Katzen in diesem Bestand infiziert sind.
Pathogenese
FHV wird über Sekrete direkt oder auch indirekt übertragen und nasal, oral oder konjunktival aufgenommen. In den meisten Fällen erfolgt die Infektion durch direkten Kontakt. Die Inkubationszeit nach Erstinfektion beträgt in der Regel 2 - 6 Tage. Die Ausbreitung von FHV im Organismus findet entlang der Nervenbahnen statt. Das Virus repliziert vorwiegend in den kalten Schleimhäuten der Nasensepten, der Nasenmuscheln, des Nasopharynx und der Tonsillen. Durch Vermehrung in den Epithelzellen kommt es zu entzündlichen Veränderungen und fokalen Nekrosen im oberen Respirationstrakt. Die Virusvermehrung sistiert bei über 37 °C, so dass es nur selten, z. B. bei Katzenwelpen mit Untertemperatur, zur Virämie und systemischen Ausbreitung des Virus kommt. Bereits 24 Stunden nach Infektion beginnt die Ausscheidung mit Augen-, Nasensekret und Speichel. Die Ausscheidung dauert in der Regel zwischen 1 Woche und 3 Wochen. Alle FHV-infizierten Katzen bleiben nach Erstinfektion latent infiziert (Rückzug des Virus in die Trigeminusganglienzellen), auch wenn sie keine klinischen Symptome zeigen. Eine Neuausscheidung kann spontan auftreten (bei ca. 30 % der Katzen), wird aber meist durch Stress (z. B. Umgebungsänderung, Geburt, Laktation) oder Immunsuppression (z. B. durch Therapie mit Glukokortikoiden), mit einer Zeitverzögerung von etwa 1 Woche, ausgelöst und hält 1 - 2 Wochen an. Etwa die Hälfte der Virusträger zeigt während der Ausscheidungsperiode (meist nur leichte) klinische Symptome. Nach einer Ausscheidungsperiode tritt eine Refraktärzeit von einigen Wochen ein, in der eine Reaktivierung unwahrscheinlich ist.
Klinik
FHV verursacht unterschiedlich schwere Entzündungen des oberen Respirationstrakts und der Augen. Die Katzen zeigen meist Niesen, Salivation, Inappetenz und Fieber, gefolgt von Augen- und Nasenausfluss, Entzündungen der Konjunktiven und manchmal Husten und Dyspnoe. Ulzera auf der Zunge treten selten auf und sind meist eher klein. Eine starke Nekrose der Schleimhäute oder Nasenmuscheln mit morphologischen Veränderungen prädisponiert für eine sekundäre bakterielle Rhinitis und Sinusitis. Meist tritt jedoch nach spätestens 3 Wochen eine Heilung ein. Bei jungen und immunsupprimierten Katzen können Ulzera und Nekrosen an Schleimhäuten von Pharynx und Trachea auftreten, die zu hochgradiger Störung des Allgemeinbefindens führen können. Durch FHV hervorgerufene Infektionen an den Augen können zu ulzerativen Keratokonjunktivitiden führen. Die Katzen zeigen Epiphora und Blepharospasmus. Hornhautläsionen entstehen durch Zelluntergang und Ulzerationen von Hornhautepithelzellen bei der viralen Replikation. Korneaperforationen und Hornhautvernarbungen können zu bakterieller Sekundärbesiedlung und letztendlich zum Verlust der Sehkraft führen. Manchmal tritt auch eine Keratokonjunktivitis sicca auf. Aborte nach FHV-Infektionen sind möglich. Hautmanifestationen von FHV-Infektionen sind selten beschrieben. Sie sind durch großflächige Entzündungen mit Vesikeln, Ulzerationen und Krusten im Gesicht und an der Nase charakterisiert.
Diagnose
Mittel der Wahl zur Diagnose einer FHV-Infektion ist der DNA-Nachweis mittels PCR aus Tupferproben (Rachen, Augen, Nase). Dabei ist wichtig, dass die Tupfer für die Abstriche intensiv an den Schleimhäuten gerieben werden, sodass genügend infizierte Epithelzellen im Tupfer verbleiben. Wattestäbchen eignen sich hierfür am besten. Auch möglich, wenn aber wegen des höheren Aufwands heute kaum noch durchgeführt, ist der Nachweis von FHV in der Zellkultur mittels Virusisolierung. Die Probenahme sollte hierfür aus dem Oropharynx erfolgen; Proben aus Nase und Konjunktiven sind weniger geeignet. Der Nachweis in der Zellkultur ist nur im positiven Fall beweisend, da die Anzüchtung von FHV z.B. bei gleichzeitiger Anwesenheit von FCV, welches schneller wächst und die Zellen schneller zerstört, misslingen kann. FHV-Träger sind, egal mit welcher Methode, schwer zu identifizieren, da das Virus nur während der intermittierenden Ausscheidungsphasen nachweisbar ist.
Behandlung
Für die Behandlung der FHV-Infektion stehen heute, neben der symptomatischen Therapie, auch wirksame antivirale Therapieoptionen zur Verfügung. Die Therapie einer akuten FHV-1-Infektion erfordert meist intensive Behandlung und Betreuung sowie strenge Hygiene. Antibiotika sollten immer, auch bei zunächst nur viraler Beteiligung, eingesetzt werden, um Sekundärinfektionen zu verhindern. Die Nase sollte mit physiologischer Kochsalzlösung mehrmals täglich gespült werden; das Sekret sollte entfernt und eine reizlose Salbe aufgetragen werden, um Exkoriationen zu verhindern. Vernebelungsapparate zur Inhalation sind besser als Nasentropfen, die die Nasenschleimhaut austrocknen. Sekretolytika können zur Lösung zähen Schleims von Nutzen sein. Bei Inappetenz und erhöhter Speichelproduktion muss Flüssigkeitsersatz, möglichst durch Dauertropfinfusion, erfolgen. Eventuell vorhandene Kaliumdefizite oder Azidosen (durch Speicheln) sollten ausgeglichen werden. Die Nahrungsaufnahme muss sichergestellt werden. Die angebotene Nahrung sollte aromatisch und geschmacksintensiv sein und kann zur Geruchsverstärkung angewärmt oder püriert werden, oder es kann fertige Flüssignahrung angeboten werden. Appetitanregung kann z. B. mit Mirtazapin erfolgen. Bei Anorexie über mehr als 3 Tage ist eine Sondenernährung (vorzugsweise mittels Ösophagussonde) indiziert. Wärmelampen und -kissen zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur verhindern die systemische Ausbreitung von FHV. Der Einsatz von kommerziell erhältlichen spezifischen Antikörper-Präparationen führte in einer kontrollierten Studie bei Katzen mit FHV-Infektion zu einer signifikant schnelleren Besserung der Symptome. Zur antiviralen Therapie steht Famciclovir, ein sehr wirksames Medikament für Katzen mit FHV-bedingten Symptomen zu Verfügung. Für die lokale antivirale Therapie FHV-bedingter Augenveränderungen eignen sich verschiedene antivirale Augensalben oder -tropfen. Die meisten dieser lokal angewendeten Medikamente müssen sehr häufig und regelmäßig (in der Regel alle 4 Stunden) verabreicht werden, um eine Wirkung zu entfalten. Bei systemischer Gabe von Famciclovir in hoher Dosierung können aber bereits ausreichend hohe Konzentrationen am Auge erreicht werden, sodass keine zusätzliche lokale antivirale Behandlung nötig ist.
Prophylaxe
Die Impfung gegen FHV-Infektionen gilt als Core-Vakzinierung. Jede Katze sollte zu jeder Zeit gegen FHV-Infektionen geschützt sein. FHV-Stämme sind antigenetisch sehr einheitlich; die Impfung schützt daher auch gegen alle Stämme im Feld. Impfungen sind in Form attenuierter Lebendvakzinen und inaktivierter Vakzinen verfügbar. Impfungen gegen FHV können die Schwere der Symptome nach Infektion reduzieren, sie eliminieren das Virus aber nicht und schützen nicht vor Entstehung eines Carrier-Status. Auch geimpfte Katzen können daher zu Virusträgern werden. Bei geimpften Katzen lässt sich jedoch signifikant weniger häufig FHV isolieren als bei nicht geimpften. Es wird diskutiert, ob eine Impfung bei einer bereits infizierten Katze überhaupt sinnvoll ist. Es ist davon auszugehen, dass sehr viele Katzen, insbesondere solche aus Tierheimen oder Katzenzuchten, FHV in sich tragen, da eine einmal mit FHV-infizierte Katze lebenslang infiziert bleibt. Leider gibt es hierzu keinerlei aussagekräftige Daten. Möglicherweise verringert die FHV-Impfung einer bereits FHV-infizierten Katze den Schweregrad der klinischen Veränderungen nach Reaktivierung und/oder die Menge an ausgeschiedenem Virus, wie es z.B. für das bovine Herpesvirus beim Rind gezeigt worden ist. Leider kann ein Antikörpernachweis nicht zum Nachweis einer Immunität herangezogen werden, da viele Katzen nach Infektion oder Impfung kaum oder nur vorübergehend Antikörper bilden.
weiterführende Literatur
- Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre; Herausgegeben von H.J. Selbitz; U. Truyen; P. Valentin-Weigand; Enke-Verlag Stuttgart 10. Auflage (2015); Herpesviridae; Klaus Osterrieder; S. 423 ff.
- Bergmann, et al. (2020) Antibody response to feline herpesvirus-1 vaccination in healthy adult cats. J Feline Med Surg 22 (4): 329-338. 10.1177/1098612x19845702
- Bergmann, et al. (2019) [Treatment of acute viral feline upper respiratory tract infections]. Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere 47 (2): 98-109. 10.1055/a-0870-0801
- Friedl, et al. (2014) Efficacy of passively transferred antibodies in cats with acute viral upper respiratory tract infection. Vet J 201 (3): 316-21. 10.1016/j.tvjl.2014.05.002
- Gaskell RM, Dawson S, Radford A. Kapitel: Feline Respiratory Disease. In: Infectious Diseases of the Dog and Cat. Eds: Greene CE; Elsevier, St. Louis (2012), S. 151–162.
- Hartmann K. Kapitel: Antiviral and Immunomodulatory Chemotherapy. In: Infectious Diseases of the Dog and Cat. Eds: Greene CE; Elsevier, St. Louis (2012), S. 10-24.
- Thiry, et al. (2009) Feline herpesvirus infection. ABCD guidelines on prevention and management. J Feline Med Surg 11 (7): 547-55. 10.1016/j.jfms.2009.05.003
Zugelassene Impfstoffe
Stand: Januar 2022Im Folgenden sind alle in Deutschland zur Anwendung an Katzen zugelassenen Impfstoffe aufgeführt, die eine Herpesviruskomponente enthalten. Alle Impfstoffe wurden bereits im Kapitel Calicivirus-Infektionen detailliert beschrieben. Auf eine Darstellung der Zusammensetzung, der Applikationshinweise sowie des Anwendungsgebietes wurde an dieser Stelle verzichtet. Die Impfstoffe sind in der folgenden Tabelle daher grau unterlegt.
Handelsname | Zulassungsinhaber | Impfantigen | leb./ inakt. | Hyperlink |
Feliserin Plus | IDT Biologika | Serum gegen Parvovirose, Katzenseuche und Katzenschnupfen | ||
Felocell CVR | Lilly | Katzenschnupfen, Katzenseuche | leb. | |
Fevaxyn Pentofel | Zoetis | Panleukopenie, Katzenschnupfen, Chlamydien-Infektionen, Infektiöse Leukämie | inakt. | |
Fevaxyn Quatrifel | Zoetis | Panleukopenie, Katzenschnupfen, Chlamydien-Infektionen | inakt. | |
Leucofeligen FeLV/ RCP | Virbac | Panleukopenie, Katzenschnupfen, Infektiöse Leukämie | leb./ inakt. | |
Nobivac RC | Intervet | Katzenschnupfen | leb. | |
Nobivac RCP | Intervet | Panleukopenie, Katzenschnupfen | leb. | |
Purevax RC | Merial | Katzenschnupfen | leb./ inakt. | |
Purevax RCP | Merial | Panleukopenie, Katzenschnupfen | leb./ inakt. | |
Purevax RCP FeLV | Merial | Panleukopenie, Katzenschnupfen, Infektiöse Leukämie | leb./ inakt. | |
Purevax RCP Ch | Merial | Panleukopenie, Katzenschnupfen, Chlamydien-Infektionen | leb./ inakt. | |
Purevax RCPCh FeLV | Merial | Panleukopenie, Katzenschnupfen, Chlamydien-Infektionen, Infektiöse Leukämie | leb./ inakt. | |
Versifel CVR | Zoetis | Panleukopenie, Katzenschnupfen | leb. | |
Versifel CVR-T | Zoetis | Panleukopenie, Katzenschnupfen, Tollwut | leb. leb. inakt. | |
Virbagen felis RC | Virbac | Katzenschnupfen | leb. | |
Virbagen felis RCP | Virbac | Panleukopenie, Katzenschnupfen | leb. | |
Virbagen felis RCP/T | Virbac | Panleukopenie, Katzenschnupfen, Tollwut | leb. leb. inakt. |