Feline Infektiöse Peritonitis
Leitsymptome:
- Körperhöhlenergüsse
- Fieber
- ZNS-Störungen
- Uveitis
Labordiagnostik:
- Histologie mit Immunhistochemie (Nachweis intrazellulären FCoV-Antigens in Gewebe-Makrophagen) als Goldstandard
- Nachweis der RNA der mutierten Viren mittels diskriminierender RT-PCR
- Nachweis hoher RNA-Mengen mittels quantitativer RT-PCR
- Nachweis intrazellulären FCoV-Antigens in Makrophagen von Körperflüssigkeiten mittels Immunzytochemie
Ätiologie
Die Feline Infektiöse Peritonitis (FIP) ist weit verbreitet und eine häufige Todesursache bei Katzen weltweit. FIP wird durch das Feline Coronavirus (FCoV) hervorgerufen. FCoV besitzt eine Hülle und misst 120 – 160 nm im Durchmesser. Der Träger der Erbinformation ist eine Einzelstrang-RNA, die 30.000 Nukleotide umfasst. Das Virus ist in besonderem Maß empfänglich gegenüber Mutationen, da die RNA-Polymerase bei jedem Replikationszyklus Nukleotide fehlerhaft einbaut. Die Virushülle enthält ein Spike-Protein von etwa 200.000 Dalton und das M-Protein von rund 30.000 Dalton. Im Innenkörper liegt ein einziges Kapsidprotein von rund 45.000 Dalton vor. FCoV bleibt in der Umgebung unter Umständen mehrere Wochen infektiös.
Epidemiologie
FCoV kommt weltweit vor und ist in allen Mehrkatzenhaushalten endemisch. FcoV kann eine harmlose vorübergehende Darminfektion verursachen, die in der Regel völlig ohne klinische Symptome verläuft. Bei manchen Katzen jedoch führt eine FCoV-Infektion nach Mutation in der infizierten Katze zu FIP. FCoV ist in nahezu jedem Haushalt mit mehr als fünf Katzen vorhanden, aber nur etwa 5 - 12 % aller Katzen in diesen Haushalten erkranken an FIP. FCoV wird durch direkten Kontakt zu ausscheidenden Katzen und indirekt durch kontaminierte Gegenstände (Schuhe, Fressgeschirr, Katzentoilette) auf andere Katzen übertragen. Über die Maulhöhle gelangt das Virus in den Dünndarm. Dort vermehrt es sich in den Epithelzellen von Duodenum, Jejunum, Ileum und Kolon. Parallel zur Besiedelung des Darmtrakts kann es zu einer Besiedelung der Mesenteriallymphknoten und zu einer Virämie kommen. Mit dem Kot werden große Mengen an Virus ausgeschieden. Die wichtigste Infektionsquelle ist daher die Katzentoilette. Jede Katze, die eine mit FCoV belastete Katzentoilette benutzt, setzt sich einem massiven Infektionsdruck aus.
Pathogenese
Inzwischen ist die sogenannte „internal mutation hypothesis“ zur Entstehung der FIP weitgehend akzeptiert. FIP wird durch spontane Mutationen von FCoV hervorgerufen, die letztendlich dazu führen, dass sich FCoV in Makrophagen massiv vermehrt. FIP selbst ist also keine Infektion, sondern entsteht nur dann, wenn es während der FCoV-Vermehrung durch Mutation zu Veränderungen im Genom des Virus kommt. Entscheidend sind vor allem Mutationen im Gen des Spike-Proteins. Diese Mutationen führen zu einer Änderung der Rezeptorspezifität durch strukturelle Änderungen der rezeptorbindenden Region des S-Proteins, wodurch das Virus seinen Zelltropismus ändert und sich nun nicht mehr in Enterozyten, sondern in Makrophagen vermehrt. Möglicherweise sind mehrere Mutationen an der Entstehung von FIP beteiligt. Alle Faktoren, die eine vermehrte Virusreplikation begünstigen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Mutation und damit von FIP, also Dosis und Virulenz des Virusstamms, Alter und Immunsuppression des Tieres (z. B. durch Stress, Glukokortikoide, Infektionen mit felinen Leukämie- oder Immunschwächeviren), genetische Prädispositionen sowie vor allem Reinfektionen in Mehrkatzenhaushalten. Die mit den mutierten Viren befallenen Makrophagen setzen Entzündungsmediatoren frei, die zu einer massiven systemischen Entzündung im Körper der Katze führen. Es kommt zur Bildung von Antigen-Antikörper-Komplexen, die sich unter anderem in den Gefäßen ablagern, und zur Vaskulitis und damit zur Entstehung von Körperhöhlenergüssen führen. Die Krankheit FIP entsteht also letztendlich nicht durch das Virus selbst, sondern durch die überschießende Immunreaktion des Körpers auf das Virus.
Klinik
Das klinische Erscheinungsbild der FIP ist vielfältig, da viele Organe, vor allem Leber, Niere, Darm, Pankreas, ZNS und Augen, entzündlich verändert sein können. Bei allen Katzen mit unspezifischen Symptomen, antibiotikaresistentem, rezidivierendem Fieber, unklaren Organveränderungen, chronischem Gewichtsverlust und bei allen Katzen mit Erguss, sollte FIP in Betracht gezogen werden. Viele Katzen mit FIP entwickeln Thorax– oder Abdominalergüsse. Manchmal zeigt sich nur ein Skrotalerguss oder ein Erguss in Form einer Hydronephrose. Gelegentlich tritt Ikterus auf, der multifaktoriell bedingt sein kann. ZNS-Symptome kommen bei etwa 25 % der Katzen mit FIP, bedingt durch entzündliche Veränderungen im ZNS, vor. Am Auge kann eine Uveitis auftreten.
Diagnose
Eine sichere Diagnose der FIP ist unerlässlich, um ein Leiden des Patienten zu vermeiden. Die Diagnose einer FIP ist in vivo jedoch oft schwierig, vor allem, wenn die Krankheit nicht von Ergüssen begleitet wird. Antikörper-Tests haben in der Diagnose oder im Ausschluss von FIP keinen Nutzen. Um FIP zu diagnostizieren, muss das Virus selbst nachgewiesen werden. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: Als Goldstandard zur beweisenden Diagnose einer FIP gilt die histologische Untersuchung von Gewebe und zusätzliche Färbung von FCoV-Antigen in Makrophagen im veränderten Gewebe. FCoV-Antigen kann auch mittels Immunzytochemie oder Immunfluoreszenz in Makrophagen von Flüssigkeiten (z. B. Erguss, Liquor oder Augenkammerwasser) nachgewiesen werden; leider liegt die Spezifität dieser Nachweisverfahren laut neuerer Studien nur bei 71 % (Erguss), 82 % (Augenkammerwasser) und 83 % (Liquor). Eine sichere Diagnose ist daher mit diesen Färbungen nicht möglich. Als Alternative bietet sich die RT-PCR an, die das Genom der FCoV nachweisen kann. Auch hierfür eignet sich am besten Ergussflüssigkeit. Eine RT-PCR kann jedoch auch aus Vollblut, Liquor, Augenkammerwasser oder Zytologieproben von abdominalen Organen durchgeführt werden. Da jedoch auch bei Katzen mit harmlosen FCoV-Darminfektionen Virämien auftreten, ist der Nachweis von FCoV-RNA im Blut (oder anderen Proben) nicht ausreichend aussagekräftig. Nur wenn mittels RT-PCR sehr große Mengen an Virus außerhalb des Darms oder spezifische Mutationen im Spike-Gen nachgewiesen werden, kann die Diagnose einer FIP mit hoher Wahrscheinlichkeit gestellt werden. Zu beachten ist, dass auch die RT-PCR zum Nachweis spezifischer Mutationen im FCoV-Genom zuweilen falsch positive Ergebnisse liefert.
Behandlung
Bis vor kurzem galt FIP als nicht heilbar. Die derzeit auf dem Markt erhältlichen antiviralen und immunmodulatorischen Medikamente erwiesen sich in kontrollierten Studien als unwirksam. Daher werden Katzen mit FIP im Moment nur symptomatisch therapiert. Symptomatische Maßnahmen umfassen Abziehen von Ergüssen, Flüssigkeitssubstitution, Diät mit hohem Proteingehalt und die Gabe von Glukokortikoiden (hochdosiert in die betroffenen Körperhöhle/n), um die massive immunmediierte Reaktion zu unterdrücken. Kürzlich wurden jedoch neue antivirale Medikamente entwickelt, die aus der humanen Coronavirus- und Ebola-Forschung stammen und FIP möglicherweise wirksam therapieren und sogar heilen können. Diese Medikamente sind ein Durchbruch in der FIP-Forschung, ein großer Hoffnungsschimmer, und hoffentlich in der nächsten Zeit auch auf dem deutschen Markt verfügbar.
Prophylaxe
Die wichtigste Maßnahme besteht in der Reduktion des Infektionsdruckes in Mehrkatzenhaushalten, durch Haltung der Katzen in Kleingruppen von höchstens 2 - 3 Tieren, regelmäßige Reinigung der Katzentoilette sowie eventuelle Entfernung konstanter Ausscheider aus einem Kollektiv. In Deutschland steht ein lokaler, intranasaler Impfstoff zur Verfügung. Die Wirksamkeit der Impfung wird von vielen Expertengremien angezweifelt bzw. kontrovers diskutiert. Eine Impfung gegen FIP wird daher nicht empfohlen. Das attenuierte, temperatursensitive Virus des verfügbaren Impfstoffes kann sich nur bei einer Temperatur von 31°C (die im oberen Respirationstrakt herrscht), nicht aber bei 39 °C im übrigen Körper vermehren. Es werden zwar geringe Mengen an systemischen Antikörpern gebildet, die bei einem Antikörpernachweis eine positive Reaktion verursachen können; diese führen aber nicht zu antibody dependent enhancement (ADE). Experimentelle Studien zur Wirksamkeit der Impfung brachten sehr unterschiedliche Ergebnisse (Wirksamkeit zwischen 0 - 80 %). Die Effektivität der Impfung ist daher als fraglich anzusehen. Der Impfstoff ist bei Katzen, die irgendwann bereits Kontakt zu Coronaviren hatten, unwirksam. Bei FCoV-Antikörper-negativen Katzen kann die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von FIP möglicherweise zu einem gewissen Prozentsatz reduziert werden. Es ist nicht sinnvoll, Katzen in einem Haushalt zu impfen, in dem FCoV endemisch ist oder in dem kurz vorher ein Tier an FIP erkrankt war.
weiterführende Literatur
- Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre; Herausgegeben von H.J. Selbitz; U. Truyen; P. Valentin-Weigand; Enke-Verlag Stuttgart 10. Auflage (2015); Coronavirusinfektionen der Katze; Matthias König, Heinz-Jürgen Thiel; S. 564 ff.
- Felten and Hartmann (2019) Diagnosis of Feline Infectious Peritonitis: A Review of the Current Literature. Viruses 11 (11): 10.3390/v11111068
- Pedersen, et al. (2019) Efficacy and safety of the nucleoside analog GS-441524 for treatment of cats with naturally occurring feline infectious peritonitis. J Feline Med Surg 21 (4): 271-281. 10.1177/1098612x19825701
- Pedersen, et al. (2018) Efficacy of a 3C-like protease inhibitor in treating various forms of acquired feline infectious peritonitis. J Feline Med Surg 20 (4): 378-392. 10.1177/1098612x17729626
- Hartmann K. Kapitel: Coronavirus infections (canine and feline), including Feline Infectious Peritonitis. In: Textbook of Veterinary Internal Medicine. Eds: Ettinger SJ, Feldman EC, Côté E; Elsevier, St. Louis (2017), S. 983-991.
- Addie DD. Kapitel: Feline Coronavirus Infections. In: Infectious Diseases of the Dog and Cat. Eds: Greene CE; Elsevier, St. Louis (2012), S. 92–108.
- Addie, et al. (2009) Feline infectious peritonitis. ABCD guidelines on prevention and management. J Feline Med Surg 11 (7): 594-604. 10.1016/j.jfms.2009.05.008
Zugelassene Impfstoffe
Stand: Januar 2022Handelsname | Zulassungsinhaber | Impfantigen | leb./ inakt. | Hyperlink |
Primucell FIP | Zoetis | FIP-Virus | leb. |
Zusammensetzung
Handelsname | Impfantigen | Zelllinie | Inaktivierung | Konservierungsstoff pro Dosis | Adjuvans |
Primucell FIP | Felines infektiöses Peritonitisvirus, Stamm DF2-ts1 | Katzennierenzellinie | – | – | – |
Applikationshinweise
Handelsname | Dosis | frühester Impfzeitpunkt | Grundimmunisierung | Wiederholung | Bemerkungen |
Primucell FIP | 0.5 ml; i.n. | ab 16 Wochen | 2 Immunisierungen im Abstand von 3 Wochen (je 0,25 ml pro Nasenloch) | jährlich | Die Impfung ist nur bei FCoV seronegativen Katzen bzw. bei Katzen mit einem niedrigen FCoV-Titer sinnvoll; Nicht bei trächtigen und laktierenden Tieren anwenden. |
Anwendungsgebiet
Handelsname | Indikation |
Primucell FIP | Aktive Immunisierung von Katzen zur Verringerung der Mortalität durch die Feline Infektiöse Peritonitis (FIP). Die Immunität tritt rund 4 Wochen nach der zweiten Impfung ein. Die Dauer des Impfschutzes ist nicht geklärt. |