Myxomatose
Leitsymptome:
- knotige Veränderungen im Kopfbereich; Unterhautschwellungen
- Apathie; Fieber
Labordiagnostik:
- Erregernachweis mittels Elektronenmikroskopie oder PCR
Ätiologie
Der Erreger ist das zu den Poxviridae gehörende Myxomavirus. In der Zellkultur wächst es vorzugsweise auf Kaninchennierenzellkulturen. Das Virus wurde ursprünglich auf dem amerikanischen Kontinent isoliert und ist an die dortigen Kaninchenspezies der Gattung Sylvilagus adaptiert. In Südamerika und Nordamerika sind unterschiedliche Virusstämme, angepasst an die dort vorkommenden Kaninchenarten, verbreitet. Neben dem Hauptvertreter, dem südamerikanischen Typ, ist das kalifornische Myxomavirus bekannt. Pockenviren sind obwohl behüllt relativ stabil in der Außenwelt. So bleibt das Myxomvirus in ausgetrocknetem Zustand (unbehandelte Kaninchenfelle) über 220 Tage, in faulenden Kadavern über sieben Tage infektiös. Eine chemische Desinfektion ist mit den üblichen Desinfektionsmitteln möglich.
Epidemiologie
Die Übertragung des Erregers kann direkt oder indirekt erfolgen. Große Bedeutung besitzt die Übertragung durch Arthropoden, in erster Linie durch Stechmücken der Gattungen Aedes, Anopheles, Culex und Simulium sowie die Stechfliege Stomoxys calcitrans. Mücken können das infektionsfähige Virus noch bis zu 36 Tage nach dem Saugakt weitergeben. Auch Flöhe (Spilopsyllus ctenopsyllus) können infektiös sein. Die orale Aufnahme des Erregers spielt in der freien Wildbahn nur bei sehr dichten Kaninchenpopulationen, bei Hauskaninchen aber über infiziertes Futtergras eine Rolle. Aus allem erklärt sich, dass die schwersten Epizootien vornehmlich in nassen, eher kühlen Sommern mit Höhepunkten zwischen Ende Juli und September zu erwarten sind. Zu den Hauptcharakteristika des Virus gehört seine hohe Wirtsspezifität. Am meisten gefährdet sind das in Europa vorkommende Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) und die davon abstammenden Hauskaninchen. Die als natürliche Erregerreservoire bekannten amerikanischen Kaninchenarten der Gattung Sylvilagus und einige europäische Hasenarten, wie der Feldhase (Lepus europaeus) und der Iberische Hase (Lepus granatensis), sind ebenfalls empfänglich.
Pathogenese
Nach der primären Vermehrung des Erregers am Infektionsort, d. h. bei natürlicher Infektion meistens an den Kopfschleimhäuten, erfolgt die lymphogene Ausbreitung in die regionären Lymphknoten. Gleichzeitig fallen hier bereits hyperplastische Reaktionen des RHS auf. Ab dem dritten Tag kommt es zu einer Virämie und einer systemischen Verbreitung des Virus durch infizierte Lymphozyten in nahezu alle Organe.
Klinik
Die Ausprägung der Krankheit und die Virulenz des Erregers sind stark vom Erregerstamm abhängig. Das Spektrum reicht von völlig attenuierten bis hochvirulenten Erregern. Im Vordergrund der Krankheitserscheinungen stehen bei der typischen nodulären Form der Myxomatose nach der 4- bis 10-tägigen Inkubationszeit die bis walnussgroßen lokalen, aber auch diffusen Schwellungen im Kopfbereich sowie an den Anogenitalschleimhäuten. Knotige Wucherungen in der Haut und Unterhaut des Rückens, der Ohren, des Skrotums sind weitere deutliche Zeichen. Bakterielle Sekundärinfektionen können die Symptomatik verschlimmern. Unter mäßigem, später nur leichtem Fieber und zunehmenden Atem- und Schluckbeschwerden sistiert die Futteraufnahme. Bei allgemeiner Entkräftung und Abmagerung versterben die Tiere meist nach 8 bis 14 Tagen. Bei der atypischen Form finden sich unspezifische Symptome. Typisch sind ein akuter Krankheitsverlauf und generalisierte sulzige Ödeme in der Unterhaut. Es bestehen sehr geringe Heilungsaussichten. Besonders zu Beginn einer Epizootie liegen Morbidität und Mortalität in nicht geimpften Beständen weit über 90 %. Behandlungsversuche sollten deswegen unterlassen und erkrankte Tiere eingeschläfert werden.
Diagnose
Die Anamnese (ungeimpftes Tier) und die typischen klinischen Veränderungen geben einen deutlichen Hinweis auf die Myxomatose. Der Erregernachweis kann durch eine elektronenmikroskopische Untersuchung von Hautläsionen erfolgen. Der Nachweis des Virusgenoms durch PCR ist ebenso möglich.
Differentialdiagnsen
Erkrankungen der Zähne, insbesondere der Oberkieferinzisivi und der vorderen Oberkieferbackenzähne mussen als Ursache von Rhinitis ausgeschlossen werden. Auch Fremdkörper, Myxomatose, Treponematose und in sehr seltenen Fällen Neoplasien, können Nasenausfluss verursachen. Bei Lungenveränderungen kommen als Differenzialdiagnosen Fremdkörper (aspirierte Futterbestandteile) und Neoplasien (präkardial, pulmonal) in Frage.
Behandlung/ Prophylaxe
Attenuierte Lebendvakzinen (teilweise in Kombination mit inaktivierten Antigenen) sind verfügbar. Es empfiehlt sich entsprechend den Impfempfehlungen eine vorbeugende Vakzination von mindestens 70 % der Population in den Gemeinden und Städten. Bei Verwendung des Impfstoffes auf Basis des gentechnisch modifizierten Myxomatosevirus wird auf die Einhaltung der empfohlenen Zeitintervalle hingewiesen.
weiterführende Literatur
- Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre; Herausgegeben von H.J. Selbitz; U. Truyen; P. Valentin-Weigand; Enke-Verlag Stuttgart 10. Auflage (2015); Myxomatose; Klaus Osterrieder; S.413 ff.
Zugelassene Impfstoffe
Stand: Januar 2022Handelsname zugelassen für | Zulassungsinhaber | Impfantigen | leb./ inakt. | Hyperlink |
Nobivac Myxo-RHD | Intervet | RHDV-1 Myxomatosevirus | leb. | |
Nobivac Myxo-RHD Plus | Intervet | RHDV-1 RHDV-2 Myxomatosevirus | leb. | |
RIKA-VACC Duo | Ecuphar | RHDV-1 Myxomatosevirus | leb./inakt. | |
RIKA-VACC Myxo s.c. | Ecuphar | Myxomatosevirus | leb. |
Zusammensetzung
Handelsname | Impfantigen | Zelllinie | Inaktivierung | Thiomersal pro Dosis | Adjuvans |
Nobivac Myxo-RHD | Myxomatose-Vektorvirus mit RHD-Virus-Anteil, Stamm 0909 | k.A. | - | - | - |
Nobivac Myxo-RHD Plus | Myxomatose-Vektorvirus mit RHD-Virus-Anteil, Stamm 09 und Stamm MK1899 | k.A. | - | - | - |
RIKA-VACC Duo | Myxomatosevirus, Stamm CAMP V-219 attenuiert; RHD-Virus, Stamm CAMP V-351 inaktiviert |
Kaninchenzelllinie Kaninchenleber
| - | 0,085 - 0,115 mg | Aluminiumhydroxid |
RIKA-VACC Myxo s.c. | Myxomatosevirus, Stamm CAMP V-219 | Kaninchennierenzelllinie | - | - | - |
Applikationshinweise
Handelsname | Dosis | frühester Impfzeitpunkt | Grundimmunisierung | Wiederholung | Bemerkungen |
Nobivac Myxo-RHD | 1 ml (Ein-Dosen-Behältnis) oder oder 0,2 ml (Mehrdosen-Behältnis); s.c. | ab 5 Wochen | 1 Immunisierung | Jährlich | Die Impfung wird in den ersten 14 Tagen der Trächtigkeit nicht empfohlen. Die Impfung von männlichen Zuchtkaninchen wird nicht empfohlen. |
Nobivac Myxo-RHD Plus | 0,5 ml (Ein-Dosen-Behältnis) oder 0,2 ml (Mehrdosen-Behältnis); s.c. | ab 5 Wochen | 1 Immunisierung | jährlich | Kann während der Trächtigkeit angewendet werden.
Eine Impfung von männlichen Zuchtkaninchen wird nicht empfohlen.
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RIKA-VACC Duo | 1 ml; s.c. | ab 6 Wochen | 2 Immunisierungen im Abstand von 4 Wochen | halbjährlich | Kann während der Trächtigkeit und Laktation angewendet werden. Prophylaktische Immunisierung in endemisch verseuchten Myxomatosegebieten: (Impfung ab der 4. Lebenswoche) Grundimmunisierung: zwei Impfungen im Abstand von 6 Wochen, wobei für die erste Impfung von Tieren, die jünger als 6 Wochen sind, der subkutan zu verabreichende, monovalente Myxomatoseimpfstoff mit dem Stamm CAMP V-219 desselben Zulassungsinhabers verwendet werden muss Wiederholungsimpfungen: alle 6 Monate |
RIKA-VACC Myxo s.c. | 1 ml; s.c. | ab 10 Wochen | 1 Immunisierung | halbjährlich | Kann während der Trächtigkeit und Laktation angewendet werden. Prophylaktische Immunisierung in endemisch verseuchten Myxomatosegebieten Grundimmunisierung: zwei Impfungen im Abstand von 6 Wochen ab der 4. Lebenswoche Wiederholungsimpfungen alle 6 Monate |
Anwendungsgebiet
Handelsname | Indikation |
Nobivac Myxo-RHD | Zur aktiven Immunisierung von Kaninchen ab einem Lebensalter von 5 Wochen, um die Mortalität und die klinischen Symptome der Myxomatose zu verringern, sowie um die durch die Hämorrhagische Krankheit der Kaninchen (RHD) verursachte Mortalität (ausgelöst durch klassische RHD-Virus-Stämme) zu verhindern. Beginn der Immunität: 3 Wochen; Dauer der Immunität: 1 Jahr. |
Nobivac Myxo-RHD Plus | Zur aktiven Immunisierung von Kaninchen ab einem Lebensalter von 5 Wochen, um die Mortalität und die klinischen Symptome der Myxomatose und der Hämorrhagischen Krankheit der Kaninchen (RHD), ausgelöst durch klassisches RHD-Virus (RHDV1) und RHD-Virus Typ 2 (RHDV2), zu verringern. Beginn der Immunität: 3 Wochen; Dauer der Immunität: 1 Jahr. |
RIKA-VACC Duo | Aktive Immunisierung von gesunden Kaninchen ab einem Alter von 6 Wochen gegen die Hämorrhagische Krankheit der Kaninchen (RHD) und gegen Myxomatose. Die Impfung verhindert die Ausbildung klinischer Symptome und Mortalität nach Infektion mit RHD- oder Myxomatosevirus. Ein belastbarer Impfschutz gegen die Myxomatose ist etwa 5 Tage nach Grundimmunisierung ausgebildet und hält für mindestens 6 Monate an. Die Immunität gegen die RHD ist etwa 10 Tage nach Vakzinierung ausgebildet und hält ebenfalls für mindestens 6 Monate an. In experimentellen Untersuchungen betrug die Schutzrate nach RHD-Virus-Belastungsinfektion 6 Monate nach der Impfung 100 %, nach 9 Monaten 90 % und 12 Monate nach Vakzinierung noch 80 %. |
RIKA-VACC Myxo s.c. | Aktive Immunisierung von gesunden Kaninchen ab einem Alter von 4 Wochen gegen Myxomatose. Die Impfung verhindert die Ausbildung klinischer Symptome und Mortalität nach Infektion mit Myxomatosevirus. Ein belastbarer Impfschutz gegen die Myxomatose ist etwa 5 Tage nach Grundimmunisierung ausgebildet und hält für mindestens 6 Monate an. |