Bovine Virus Diarrhoe/ Mucosal Disease
CAVE: Anzeigepflicht (Kategorie C)Informationen zum Erreger
Das Virus der Bovinen Virusdiarrhoe (BVDV) gehört mit dem Erreger der Border Disease und dem Erreger der Klassischen Schweinepest zu den Pestiviren, einem Genus der Familie der Flaviviridae. Die Viren zeichnen sich durch ein positivsträngiges RNA Genom aus. Die Viren sind ca. 50 nm groß. Das kubische Virion ist von einer Hülle umgeben, in die die drei Hüllproteine E1, E2 und Erns eingelagert sind. Die Virionen werden an der Membran des endoplasmatischen Retikulums gebildet und über Vesikel an die Zellmembran transportiert. BVDV werden in zwei Genotypen BVDV-1 und BVDV-2 unterschieden. Zwischen beiden besteht nur eine gering ausgeprägte Kreuzimmunität. Die Viren kommen als zytopathogene bzw. nicht-zytopathogene Biotypen vor. Die Zytopathogenität hängt mit der Menge des gebildeten NS3-Spaltproduktes zusammen.
Die Übertragung des Virus erfolgt horizontal durch Kot, Speichel, weitere Körpersekrete und Sperma. Vertikal erfolgt die Transmission diaplazentar. Erfolgt eine BVDV-Infektion während des zweiten bis fünften Trächtigkeitsmonats, kann es bei der Infektion mit einem nicht-zytopathogenen Virus zur Ausprägung einer immunologischen Toleranz und damit verbunden zu einer persistenten Virämie kommen. Persistente Virämiker stellen epidemiologisch das bedeutsamste Virusreservoir dar. Daneben kann BVDV offenbar in Einzelfällen zwischen verschiedenen Wiederkäuerspezies als Wirtstieren wechseln. Dies gilt es bei epidemiologischen Untersuchungen zu berücksichtigen.
Bei immunkompetenten, nicht-tragenden Rindern verläuft die Infektion häufig klinisch inapparent. Es kommt gelegentlich zu einem kurzzeitigen Durchfall mit transientem Abfall der Milchleistung. Bei tragenden Tieren kommt es je nach Trächtigkeitsstatus zum Umrindern, zum Abort, zur Geburt lebensschwacher, zum Teil missgebildeter Kälber oder eben zur Ausprägung persistenter Virämiker. Das Virus, das die persistente Virämie verursacht, ist notwendigerweise nicht-zytopathogen. Kommt es beim persistent infizierten Virämiker nach Abfall der kolostralen Immunität zur Superinfektion mit einem antigenetisch sehr ähnlichen zytopathogenen Virus oder wird das persistierende Virus durch Mutation zytopathogen, so kommt es zur Mucosal Disease (MD). Diese ist durch eine weitgehende Zerstörung des lymphoiden Gewebes des Digestionstraktes, Schleimhauterosionen, Fieber, Anorexie und oft blutige Diarrhoe gekennzeichnet. I.d.R. tritt nach 2-10 Tagen der Tod ein. Neben der MD können auch Primärinfektionen mit hochvirulentem BVDV-Typ 2 bei immunkompetenten Rindern schwere Verläufe verursachen, die z.T. seuchenartig mit einem hämorrhagischen Syndrom und einer langandauernden Virämie einhergehen und hohe Verluste verursachen.
Das Vorhandensein von neutralisierenden Antikörpern schützt vor der Erkrankung. I.d.R. sind neutralisierende Antikörper und zelluläre Antworten 10-14 Tage p.i. nachweisbar. Es ist eine Reihe von lebend-attenuierten und inaktivierten Impfstoffen auf dem Markt. Aufgrund der hohen antigenetischen Vielfalt der BVDV schützen die verfügbaren BVDV-Impfstoffe nicht vor allen Feldviren gleichermaßen. Insbesondere die Kreuzimmunität gegenüber BVDV-2-Stämmen ist bei den monovalenten auf BVDV-1 basierenden Impfstoffen eingeschränkt. Vordringliches Ziel der Immunisierung ist die Verhinderung von diaplazentaren Infektionen und damit der Ausprägung von persistenten Virämikern. Dafür muß die Grundimmunisierung vor der ersten Belegung abgeschlossen sein. Lebendimpfstoffe vermitteln dabei einen deutlich belastbareren Schutz als adjuvantierte Inaktivatimpfstoffe. Um einen belastbaren Schutz vor transplazentarer Übertragung zu erzielen, ist vor allem bei adjuvantierten Inaktivatimpfstoffen die jährliche Wiederholungsimpfung erforderlich. Werden tragende, immunologisch naive Tiere geimpft, kann es bei Verwendung von Lebendimpfstoffen gelegentlich zu einer Übertragung des Impf-Virus auf die Feten kommen. Teilweise kommt es auch zu einer temporären Ausscheidung des Impfvirus durch die geimpften Tiere und einer Übertragung auf nicht-geimpfte Tiere des Bestandes. Dies lässt sich durch eine vorhergehende Immunisierung mit einem Inaktivat-Impfstoff verhindern. Dieses sogenannte zweistufige Verfahren wird in den meisten Bundesländern aber nicht mehr generell angewendet.
Mit In-Kraft-Treten des EU-Tiergesundheitsrechtsaktes am 21. April 2021 besteht für Mitgliedsstaaten oder Zonen, welche den Status „Frei von Boviner Virus Diarrhoe“ anstreben, das Erfordernis, ein Impfverbot zu erlassen. Die meisten Bundesländer haben sich darauf verständigt, den Antrag auf Anerkennung des Status „BVD-frei“ zu stellen. Damit ist ab Dezember 2020 in diesen Bundesländern ein allgemeines Impfverbot gegen BVDV zu erwarten. Davon abweichend kann im Fall eines Ausbruchs die Impfung für eine begrenzte Zahl von Betrieben durch die zuständige Behörde gestattet werden. Diese ist unter Aufsicht der zuständigen Behörde durchzuführen und für jedes Tier zu dokumentieren, möglichst in der Datenbank HI-Tier. Im Falle regionaler Ausbrüche sollten nach Prüfung der Situation vor Ort in Milch- und Mutterkuhbetrieben rasche und umfassende Impfmaßnahmen ergriffen werden, da sich durch eine Impfung aller Tiere die Zirkulation des Virus innerhalb des Bestandes verkürzen und das Risiko der Weiterverbreitung in andere Bestände reduzieren läßt. Ob eine Impfung sinnvoll ist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Hierbei spielen Zeitpunkt des Nachweises, Zahl der PI-Tiere, Betriebsstruktur und die Größe bzw. das Management des Betriebes eine Rolle. In größeren Betrieben z.B. mit mehreren Betriebsteilen ist die Impfung im Falle des Nachweises von BVDV in aller Regel zu empfehlen.
weiterführende Literatur
- Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre; Herausgegeben von H.J. Selbitz; U. Truyen; P. Valentin-Weigand; Enke-Verlag Stuttgart 10. Auflage (2015); Bovine Virus Diarrhoe/ Mucosal Disease; Heinz-Jürgen Thiel, Matthias König; S. 580 ff.
- Untersuchungen zu epidemiologisch relevanten Einflussfaktoren auf die Bekämpfung der Bovinen Virusdiarrhoe (BVD) in Thüringer Rinderherden (2015) Hoefig. Dissertationsschrift – Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig. pp: 116.
- Goyal SM, Ridpath JF. Bovine viral diarrhea virus: diagnosis, management, and control: John Wiley & Sons; 2008.
Zugelassene Impfstoffe
Stand Januar 2022Handelsname zugelassen für | Zulassungsinhaber | Impfantigen | leb./ inakt. | Hyperlink | |
Bovalto Respi 4 Rind | Boehringer Ingelheim | BRSV PI3 M.haemolytica BVD | inakt. | ||
Bovela Rind | Boehringer Ingelheim | BVDV-1 BVDV-2 | leb. | ||
Bovidec Rind | Virbac | BVDV-1 | inakt. | ||
Bovilis BVD-MD Rind | Intervet | BVDV-1 | inakt. | ||
Rispoval 3-BRSV-PI3-BVD Rind | Zoetis | BRSV PI3 BVD | leb./inakt. BVDV ist inaktiviert | ||
Mucosiffa (früher: Vacoviron FS) Rind | CEVA | BVDV-1 | leb. |
Zusammensetzung
Handelsname | Impfantigen | Zelllinie | Inaktivierung | Konservierungsmittel (pro Dosis) | Adjuvans (pro Dosis) |
Bovalto Respi 4 | BRSV, Stamm BIO-24 PI-3, Stamm BIO-23 M.haemolytica , Stamm DSM 5283, Serotyp 1A BVDV Stamm BIO-25 | k.A. | k.A. | Thiomersal 0.2 mg | Al(OH)3 8.0 mg Quil A 0.4 mg |
Bovela | BVDV-1 nicht-zytopathogen KE-9 BVDV-2 nicht-zytopathogen NY-93 | MDBK | – | – | – |
Bovidec | BVDV-1 St.KY1203nc | bovine Nierenzellinie | k.A. | Thiomersal 0.013% | QuilA 1.0 mg |
Bovilis BVD-MD | BVDV-1 St.C86 | k.A. | k.A. | Methyl-4-parahydroxy-benzoat 3 mg | Al3 (P/OH) 6-9 mg |
Rispoval 3-BRSV-PI3-BVD | BRSV, Stamm 375 PI3, RLB103 BVDV: Stamm 5960/6309 | k.A. | k.A. | – | Al(OH)3 24.36 mg |
Mucosiffa | BVDV-1 zytopathogen St.Oregon C24V | k.A. |
| – | – |
Applikationshinweise
Handelsname | Dosis | frühester Impfzeitpunkt | Grundimmunisierung | Wiederholung | Bemerkungen |
Bovalto Respi 4 | 2 mL; s.c. | Ab 2 Wo | Zweimalig im Abstand von 3 Wochen | Einmal nach 6 Monaten | Kann bei tragenden/ laktierenden Tieren eingesetzt werden |
Bovela | 2 mL, i.m. | ab dem 3. Monat | Einmalige Injektion
Die Immunisierung sollte mindestens 3 Wo vor der Besamung/Paarung durchgeführt | eine einmalige Wiederholung 12 Monate nach Erst-immunisierung | Es wird empfohlen, vor der Trächtigkeit zu impfen, um den Schutz vor einer persistenten Infektion des Fötus sicherzustellen. Die Übertragung der Impfviren auf den Fötus kann nicht ausgeschlossen werden. |
Bovidec | 4 mL, s.c. | ab dem 4. Monat | Zwei Impfungen im Abstand von 3 Wochen; spätestens 7 T vor Belegung | Jährlich | der Impfstoff kann während der Trächtigkeit eingesetzt werden |
Bovilis BVD-MD | 2 mL, i.m. | ab dem 8. Monat | Zwei Impfungen im Abstand von 4 Wochen; für fetalen Schutz muß die Immunisierung 4 Wo vor der Belegung abgeschlossen sein | Einzeltierimpfung: 4 Wo vor Belegung Bestandsimpfung; einmal 6 Monate nach Grundimmunisierung, danach min. jährlich | der Impfstoff; kann während der Trächtigkeit eingesetzt werden |
Rispoval 3-BRSV-PI3-BVD | 4 mL; i.m. | Ab 3 Monaten | Zweimalig im Abstand von 3-4 Wochen | alle 6 Monate | „Die Tiere sollen 3 Wochen vor einer Stresssituation geimpft werden“ |
Mucosiffa | 2 mL; i.m. | Kälber ungeimpfter Kühe ab 8 T, Kälber geimpfter Kühe ab 2 Mon, jew Wdh ab 6. Mon; Jungrinder ab 6 Monaten einmalig | nur bei Kälbern ist eine zweite Applikation ab 6. Mon erforderlich | Jährlich; spätestens 4 Wo vor der Belegung | Mucosiffa kann während der Trächtigkeit und Laktation angewendet werden. Es wird jedoch empfohlen, vor der Trächtigkeit zu impfen, um den Schutz vor persistenter Infektion des Fetus sicherzustellen. |
Anwendungsgebiet
Handelsname | Indikation |
Bovalto Respi 4 | Zur aktiven Immunisierung von Rindern ohne maternale Antikörper gegen: (i) bovines Parainfluenza 3-Virus, zur Reduktion der Virusausscheidung in Folge einer Infektion, (ii) bovines Respiratorisches Synzytialvirus, zur Reduktion der Virusausscheidung in Folge einer Infektion, (iii) bovines Virusdiarrhoe-Virus, zur Reduktion der Virusausscheidung in Folge einer Infektion, (iv) Mannheimia haemolytica Serotyp A1, zur Verminderung von klinischen Symptomen und Lungenläsionen.
Beginn der Immunität (mit Belastungsinfektion nachgewiesen): 3 Wochen nach der Grundimmunisierung Dauer der Immunität (mit Belastungsinfektion nachgewiesen): 6 Monate nach der Grundimmunisierung |
Bovela
| Aktive Immunisierung von Rindern ab einem Alter von 3 Monaten zur Reduktion von Hyperthemie und zur Minimierung der durch BVD-Viren (BVDV-1 und BVDV-2) verursachten Abnahme der Leukozytenzahl sowie zur Reduktion von Virusausscheidung und Virämie, verursacht durch BVDV- 2. Aktive Immunisierung von Rindern gegen BVDV-1 und BVDV-2 zur Verhinderung der Geburt persistent infizierter Kälber verursacht durch transplazentare Infektion. Einsetzen der Immunität: 3 Wochen nach der Immunisierung; Dauer der Immunität: 1 Jahr |
Bovidec | Zur aktiven Immunisierung von Rindern gegen Infektionen mit dem Virus der Bovinen Virusdiarrhö/Mucosal Disease zur Reduktion der Virusausscheidung und der klinischen Symptomatik.
Dauer der Immunität: 14 Monate (Nachweis durch Serologie und durch Belastungsinfektion von Jungrindern) Speziell zur aktiven Immunisierung weiblicher Zuchtrinder gegen transplazentare BVDV-Infektionen des Fetus mit dem BVD-Virus Typ 1 während des ersten Trimesters der Trächtigkeit durch Impfung vor der Belegung/Besamung. In dieser Zeitspanne können solche Infektionen zu einer persistierenden Infektion des Fetus mit BVD-Virus führen, eine Voraussetzung für Mucosal Disease (MD) im späteren Leben. |
Bovilis BVD-MD | Zur aktiven Immunisierung von Kühen und Färsen ab einem Alter von 8 Monaten gegen transplazentare Infektionen des Rinderfetus mit BVDV. Ein fetaler Schutz kann erwartet werden, wenn die Grundimmunisierung 4 Wochen vor Beginn der Trächtigkeit abgeschlossen ist. Tiere, die später als 4 Wochen vor Beginn der Trächtigkeit oder in der Frühträchtigkeit geimpft werden, entwickeln keinen fetalen Schutz. |
Rispoval 3-BRSV-PI3-BVD | Zur aktiven Immunisierung von Kälbern ab der 12. Lebenswoche zur: (i) Reduktion der Virusausscheidung und der klinischen Symptome, die durch das Bovine PI3-Virus verursacht werden; (ii) Reduktion der Virusausscheidung, verursacht durch eine Infektion mit BRSV; (iii) Reduktion der Virusausscheidung und des Schweregrades der Leukopenie, verursacht durch BVDV Typ 1. Die klinische Wirksamkeit wurde nicht gegenüber BVDV Typ 2-Stämmen nachgewiesen. Beginn der Immunität: Die Immunität gegenüber BRSV, Bovine PI3-Virus und BVDV Typ 1 setzt nachgewiesenermaßen 3 Wochen nach der Impfung ein. Dauer der Immunität: Die Dauer der Immunität, durch Testinfektionen belegt, beträgt 6 Monate nach der Impfung für BRSV und BVDV Typ 1. Für das Bovine PI3-Virus wurde die Dauer der Immunität nicht festgelegt. |
Mucosiffa | Aktive Immunisierung von Rindern gegen das Virus der Bovinen Virusdiarrhoe/Mucosal Disease (BVD/MD) zur Reduktion der Infektionen, der klinischen Symptome sowie der Virusausscheidung in Menge und Dauer.
Beginn der Immunität: 4 Wochen nach der Immunisierung Dauer der Immunität: 1 Jahr (serologisch)
Zur Immunisierung weiblicher Rinder zur Verhinderung der Geburt persistent infizierter Kälber, verursacht durch transplazentare Infektion des Fetus mit BVDV-1 (fetaler Schutz).
Der Wirksamkeitsnachweis des fetalen Schutzes erfolgte durch eine Testinfektion mit einem BVD-Virus des Genotyps 1 an tragenden Rindern 18 Wochen nach Impfung mit Mucosiffa. Bei allen Feten der Kontrolltiere (ungeimpfte Muttertiere) wurde BVDV-1 nachgewiesen. Alle Feten der geimpften Muttertiere waren BVDV-frei. |