Paratuberkulose
Informationen zum Erreger
Die Paratuberkulose (Para-Tb) oder Johne‘sche Krankheit ist eine Erkrankung der Haus- und Wildwiederkäuer, die von Mycobacterium avium subsp. paratuberculosis (MAP) verursacht wird. Der Erreger ist ein säurefestes Stäbchenbakterium, das in Kultur besonders langsam und nur unter Mycobaktinzusatz wächst. Isolate von Schaf und Rind zeigen deutliche Unterschiede, sodass von unterschiedlichen Biovaren ausgegangen werden kann. Schaf-adaptierte Stämme sind besonders schlecht zu kultivieren. Ziegen sind in der Regel mit Erreger-Stämmen infiziert, die auch bei Rindern gefunden werden. Ein genauer Überblick über das Vorkommen von MAP in deutschen Rinder-, Schaf- und Ziegenbeständen existiert derzeit nicht. In Abhängigkeit von der betroffenen Region, der Tierart, der Bestandsgröße und der Produktionsrichtung ist davon auszugehen, dass in bis zu zwei Dritteln der Betriebe infizierte Tiere stehen. Durch erhöhte Tierverluste, Leistungseinbußen und erhöhte Remontierungsraten verursacht die Erkrankung einen hohen wirtschaftlichen Schaden. Obwohl kontrovers diskutiert, gibt es keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Morbus Crohn des Menschen und der Para-TB bei Wiederkäuern. Der Erreger wird in aller Regel durch ein latent infiziertes Tier in einen Bestand eingeschleppt. Die Übertragung erfolgt vor allem fäkal-oral. Erwachsene Rinder, Ziegen und Schafe können sich infizieren. Besonders empfänglich sind aber Jungtiere. Hat der Erreger sich in einem Bestand etabliert, spielt die perinatale, orale Übertragung über das Kolostrum vermutlich eine entscheidende Rolle. Eine intrauterine Infektion des Fetus ist möglich, insbesondere bei klinisch erkrankten Muttertieren. Nach oraler Aufnahme des Erregers wird er von M-Zellen in die Peyer‘schen Platten geschleust, wo er von Makrophagen phagozytiert wird, in denen er proliferieren und persistieren kann. Im Verlauf der Infektion variieren die Antikörpertiter in ihrer Höhe, was wiederum die Aussagekraft der serologischen Diagnostik beeinträchtigt (s.u.). Über eine Dauer von mehreren Monaten bis Jahren entsteht eine granulomatöse Entzündung. Obwohl bei einem enzootischen Geschehen häufig bereits Neugeborene oder Jungtiere infiziert werden, wird die Erkrankung oft erst nach Jahren manifest. Danach entwickeln Rinder und häufig auch Ziegen einen therapieresistenten Durchfall. Bei ungestörter Futteraufnahme kommt es zu einem deutlichen Rückgang der Körperkondition und Leistung. Es ist zu beachten, dass Ziegen im Vergleich zu Schafen sehr viel empfindlicher auf die Infektion reagieren. Sie neigen zu einer sehr viel deutlicheren Klinik und zu einer deutlicheren Erregerausscheidung.
Zur labordiagnostischen Bestätigung der klinischen Diagnose können der Nachweis des Erregers aus der Kotprobe und der Nachweis MAP-spezifische Antikörper herangezogen werden. Allerdings wird der Erreger nur intermittierend ausgeschieden und zeigt in der kulturellen Untersuchung ein ausgesprochen langsames Wachstum. Bis die Kultur positiv wird oder abschließend als negativ beurteilt werden kann, vergehenen mehrere Monate. Als Alternative zur Kotkultur steht der Nachweis von MAP-spezifischen Genabschnitten mittels Polymerase-Kettenreaktion zur Verfügung. MAP-spezifische Antikörper auch bei nachweislich infizierten Tieren nicht immer sicher nachweisbar. Da alle Nachweisverfahren ihre Limitationen haben, ist die Diagnostik auf die zu beantwortende Frage abzustimmen. Der Antiköpernachweis in Blut- oder Milchproben ist im positiven Fall nur zur Erhebung des Bestandsstatus geeignet. Für die Einzeltierdiagnostik sind die derzeit verfügbaren serologischen Testsysteme nicht ausreichend, sie geben aber Hinweise auf Risikotiere, die mittels einer bakteriologischen Kotuntersuchung bestätigt werden sollten.
Eine antibiotische Therapie ist aussichtslos und wegen entgegenstehender Belange der Tierseuchenbekämpfung abzulehnen. Aufgrund der schwierigen Diagnostik, der langen Inkubationszeit und der hohen Tenazität des Erregers ist die Bekämpfung der Seuche in jeder Hinsicht ein komplexes und langwieriges Unterfangen. Entscheidende Komponenten der Bekämpfungsstrategie sind der kontrollierte Zukauf aus Para-Tb-unverdächtigen Herden, die zügige Merzung klinisch verdächtiger Tiere, eine gute Geburtshygiene und ein sorgfältiges Kolostrum-Management.
Seit den 1920er Jahren werden Öl-adjuvantierte Inaktivatimpfstoffe gegen die Paratuberkulose eingesetzt. Diese Inaktivatvakzinen können die Infektion nicht verhindern, begrenzen jedoch die Erregerausscheidung und verlangsamen die Ausprägung der klinischen Symptomatik. Nach der Impfung kann es zu einer Sensibilisierung gegen Tuberkulin kommen. Im Simultantest kann dadurch die Sensitivität des Testes sinken und es kommt auch zu falsch positiven Reaktionen. Es werden zahlreiche Entwicklungsansätze für neue Para-Tb Impfstoffe verfolgt. Allerdings hat von diesen bislang keiner Marktreife erlangt. Für Rinder steht in Europa derzeit kein zugelassener Impfstoff zur Verfügung. Der Impfstoff Gudair®, der Firma CZ Veterinaria, ist in Spanien zur Anwendung an kleinen Wiederkäuern zugelassen. In zahlreichen Studien ist gut belegt, dass durch eine einmalige Impfung die Häufigkeit klinischer Erscheinungen innerhalb eines Jahres deutlich reduziert werden kann. Auch die Erregerausscheidung wird hochsignifikant reduziert. In einer Longitudinalstudie über zehn Jahre wurde aber beobachtet, dass die vollständige Erregerfreiheit durch die Impfung nicht erreicht wird. Ein Problem ist in diesem Zusammenhang, dass es kaum möglich ist, ausreichende Mengen an Erreger-freiem Kolostrum für die Jungtieraufzucht zu erhalten. In Schaf- und Ziegenbeständen mit klinischen Fällen und einer Ausscheidungsprävalenz von mehr als 30 % ist der Einsatz des spanischen Impfstoffes zu empfehlen. Nach einmaliger Immunisierung der gesamten Herde ist es ausreichend, die Jungtiere einmalig zu impfen. Die Impfung sollte zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, d.h. im Alter zwischen 2 Wochen und 6 Monaten erfolgen. Dabei kann es nach Impfung zu Schwellungen und ggf. granulomatösen Entzündungen im Bereich der Injektionsstelle kommen.
weiterführende Literatur
- Tiermedizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre; Herausgegeben von H.J. Selbitz; U. Truyen; P. Valentin-Weigand; Enke-Verlag Stuttgart 10. Auflage (2015); Paratuberkulose; Peter Valentin-Weigand; S. 311 ff.
- Tuberculosis Detection in Paratuberculosis Vaccinated Calves: New Alternatives against Interference. (2017) Serrano, et al. PLoS One. 12, pp: e0169735.
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- The consequences of vaccination with the Johne's disease vaccine, Gudair, on diagnosis of bovine tuberculosis. (2013) Coad, et al. Vet Rec. 172, pp: 266.
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